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Flavio Caroli

"DIE FORM UND DER SINN DES SICHTBAREN"

« Ist das Erzahlen heute noch moglich? Ja, das ist es; Sughi antwortet, das es moglich ist... Das ist es, wenn der Zauber in der Schwebe des Erstaunens gelassen wird... Das ist es, wenn das unveranderliche Geheimnis des Lebens sich auf ein Verwunderungsweltall beruft... »

Alberto Sughi, Der Park

Faule und saure Gelbtone treten in die Landschaft ein, wie ein entzundender Lichtschall, traumerisch, unvernunf-tig, auf einer merkwurdigen Weise von einem unerwarteten "geometrischen Geist" deutiich getrennt. Smaragdfarbige, Oder in Pistazien zeniebene, ausgewaschene Grijntone, die sich in eine sinnbildliche, geistige und entfemte Vegetation der gegenwartigen Darstellung einmisctien. SchliefSlich, eine erstaunliche byzanthini-sche Goldfarbe (II Parco ["Der Park], 1993), die die romische Landschaft Lorrain-ahnlich durch angedeutete lila und Penicillinfarbige Felder abandert, die auf einer unentschiedenen Art am Rand des Sichtbildes, den Gesatzen der grofJen modemen Tradition nach, gezeichnet sind ("Poussin in der Natur nachahmen..." wamte Cezanne). Ein Licht, das, desto trotzdem, beim Aufbauen der pfianziichen Wand im Hintergrund (vom Gegenlicht in Aschenfarbe verwandelt), an die Befestigung der Materie eines impressionistischen Monet gegen Ende der Sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts aus der Nahe denkt (nochmal vom zeichnerischen Ductus ummalt). Was ist also dieses plotzliche Wunder, das aus den letzten Werken von Alberto Sughi herausragt? Was bedeutet diese Intensity, die die Kritker beschaftigt (davon abgesehen ob sie ihren Beni mit den richtigen Mitteln ausuben konnen), wie es mit der Bildmalerei der Vergangenheit passiert, wenn die Malerei iiberiegt und wirklich "geleitet" wird? Was ist diese nun so seltene Dichtheit voller Glanz, rasch destilliert, hinter der man die lange, unerlragliche Schwere des Gedankens entdeckt, zusammen mi der Meinung, die im Laufe des Jahrhunderts gereift ist (die -so hoffen wir - jedem inzwischen War geworden ist), daft die Bildmalerei (auch die aus dem Bauch entsprunge-ne, d.h. diese noch deufcher als alle anderen) mit dem Gehim, und nicht mrt den Handen geschaffen wird? Es gibt keine Enduberraschung, die nicht aus der magischen Sublimierung unendlicher Elemental entstammt, und aus deren plotzlichen, teuflischen Niederschlag, der sich in einen verfuhrerischen Blitz, in die Bildverfuhnjng, verwandeK. Wir beginnen tatsachlich mit dem Vorwort, dafi "Darstellen" heute unnutzlich oder erhaben sein kb'nnte. Im Falle Sughis ist es erhaben. Und dieses Abenteuer hat einen fast physischen Bestand, hat ein Leben der QualitatsmafJstabe (so sind wir beim angeklagten Wort "Qualitaf gelandet), ein abgelagertes Leben, das der Bildmalerei, im hochsten Sinne dieses Wortes, gehort.

Am Anfang ist also die Wahrheit, der "Grund", der spater mit symbdischen Deutungen gepragt wird und, im Sinne eines aufmerksamen Kunstler wie Sughi, sich unendlich von Lorrain bis Boecklin, so wie vom Kino Antonionis begeistem laRt. Und doch soil der erste Eindruck auf das bemalte Blatt eingeordnet werden. Dieser Einordnung kann man sich nicht unterziehen • im klassischen westlichen Sinn des "Gedanken im Bid" - dieser Einordnung, die Cezanne den Mitteln des "gottlichen Messens" uberiieK: Kegel, Zylinder, Kugel. Deswegen arbeitet Sughi hauptsachlich mit Bleistift und Perspektive. Es gibt kein Zentimeter in senier Darstellung, das nicht einer Raumordnung unterzogen wird, die das Bild ins Reelle und gleichzeitig Abstrakte umsetzt. Das ist die Ordung der Ebenen der dritten Dimension, die hinterher versetzt werden, je mehr sie sich dem Rand annahern. Das ist eine Ordnung, die keine falsche, akademische, dem 15. Jahrtiundert ahnliche Perspektive eriaubt. Stattdessen bestimmt sie jeden Punkt, jede Bewegung des Bildes als Einheit, die zur Obedegung der Konstruktion und der Wahrnehmung zuruckgefuhrt werden sollte. Das ist ein ProzeE, das nur eine Intuition der Kunst dieses Jahrhunderts interessiert: dre angehende Mefhode von Mondrian wahrend seiner abgesonderten und sinnlichen Pilgerfahrt am Anfang der 10er Jahre.

Da der strukturelle Sinn des Bildes, durch zeichnerische Intelligenz, von Anfang an beschlossen ist, kann sich nun die Faroe seltene, kostbare Sonderbarkeiten leisten, genau wie bei den Farben der Muhlen und Dunen des Hollanders. Eine gewisse naturalistische Tradition ist fur immer verlohren gegangen. Und falls ein Fruhlingsveilchen aus der orangenrote Farbe des roten Hauses herausragt (aus jeder farbigen Chattierung befreit, und doch merkwurdigerweise immer noch, und durch eigene Bestimmung, seiner eigenen athmosphari-schen und hellen Lichtgegenstandichkeit gegenuber respektvoll ist), werden die Lila- und Orangenfarben eine Homage an die visionare Welt des letzten Degas sein, der aus zu viel Liebe zur Wirklichkeit, seine Bitlerkeit in die symphonische erhabene Zwolftonmusik der Wunder setzt, etwas, das das Auge fahig ist, auszukosten, und doch, aus Grund der akademischen Vereinbarungen der westlichen Bildmalerei, nicht auskostet. Sollen wir Sughi wegen Intellektualismus anklagen? Das wurden wir im gleichen MafJe tun, in dem wir Degas aus dem gleicnen unsinnigen Grund anklagen wurden. Es wurde sich vielleicht urn den Intellektualismus handeln, der eine uberieg-te Distanzierung zu den Dingen zeigt. Oder besser gesagt, eine gute geistige Ubung in Richtung einer Idee der "Kunsf, der modernen Kunst. Ist nun das Bild von der Perspektive und der Farbenauswahl her gelost, so kann sich jetzt Sughi voll den Inhalten und seiner scharfen Wortlichkeit widmen. Man mufS zugeben, daU sein Mut dabei groG ist, well das Wagnis fur ein echter Maler wie er (wir haben versucht. es zu begriinden) keine Grenzen kennt. Ist das Erzahlen heute noch moglich? Ja, das ist es; Sughi antwortet, daB es moglich ist, und wer diese Zeilen schreibt denkt das gleiche. Es ist noch moglich, wenn der Zauber in der Schwebe des Erstaunens gelassen wird; wenn die Worte und die Bilder hoher fliegen, als in der iiblichen Art, in der man Worte und Bilder benutzt; das ist es, wenn das unveranderliche Geheimnis des Lebens sich auf ein Verwunderungsweltall, voller beeindruckender Schonheit, voller schwebender Tonen zwischen Doppeldeutigkeit und Geheimnis, beruft. Das ist es, wenn der Stil mit Zweifeln angereichert ist: Zweifel, die auf der Stimmgabel der Stille. die das Leben immer mit sich nehmen wird, aufgehalten werden; ein Leben, das nicht einen Sinn Oder den Verstand erworben hat, sondem, so scheint es, die entgegengesetzte Richtung ubernommen hat. Die Einsamkeit. die beriihmte Einsamkeit des Hauptdarstellers Sughis, Pilger im eigenen Land, wie der Dichter Friedrichs, doch ausgeschlossen von der Feiertichkeit des Unendlichen; verioren, in der noch betrugerischen und verfanglichen Unendlichkeit, die wie eine Schlange im Gebusch beim Sonnenuntergang rauscht; die Unendlichkeit der Balkons, in den man sich wie ver-lassen lihlt, vor der Prachl der romischen Dammerung (wahrend die Welt mit einem weiten Hupenschrei ausei-nandergeht). Die unendliche Verzweiflung und die Trostlosigkeit derjenigen, die wegfahren und denengen, die bleiben; im Gebusch, das manchmal atmet, wie in der Mordszene von Antonionis Blow Up (den Namen Antonionis konnen wir, unter so viel Schonheit, von der plotzlichen, eiskalten Schwebe aller poetischen Seiten dieser Ausstellung nicht trennen); die Einsamkeit Sughis ist indiesem Nicht-Sinne von hoher Alltaglichkeit, in die­ser Botschaft von Stille, die das Stimmengewirr eines standig unsagbaren "Etwas"; in diesem Lichtpulsschlag, was nicht ein Rettungslicht ist, sondem unterbrochener Schimmer von unendlichen Augenblicken, die mogli-cherweise mit der einzigen Fulle und Rettung, die auf dieser Welt moglich sind, iibereinstimmen. Sughis Einsamkeit in der italienischen Bildmalerei unserer Zeit und in all dem, was ich sogar versuchen werde, zu nen-nen: In der Unbeweglichkeit des formellen Gedankens; in der Farbscharfe; im Vergniigen einer zuriickhaltenden, magischen und begriindeten Erzahlung,

War ich zu analyfech, mein lieber Leser? Ich mulite unbedingt versuchen, die Verwicklung dieser Bilder zu erkla-ren; diese Verwicklung, die sich, wie zum Beton geworden « r Staub, sammelt. Nun Gberlasse ich Dich dem Zauber. Ich bin von dort ausgegangen.

 

Flavio Caroli

( Flavio Caroli, aus dem Katalog der Ausstellung "Alberto Sughi, visibite", in der Gallerie Appiani Arte Trentadue, Milano, vom 8. April bis 7. Mai 1994 )

 

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